Mahnungen bei Gedenkfeier in der Synagoge Darmstadt
Aufrufe an die Bürgerschaft und Politik, gemeinsam gegen Judenhass und Ausgrenzung von Minderheiten anzugehen, bestimmten am Freitag die Reden zum Gedenken an die Pogromnacht vor 80 Jahren. In der Neuen Synagoge mahnte Daniel Neumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, neue Wege der Aufklärung an: „Die gewohnten Methoden und Konzepte funktionieren nicht mehr“ – besonders in den türkisch- und arabischstämmigen Gemeinschaften. „Die Politik muss schleunigst Antworten finden“, forderte er in einer Feierstunde am Vormittag.
Neben den Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde hörten auch die 16 jüdischen Ehrengäste der Stadt die mahnenden Worte – ehemalige Darmstädter und ihre Familien, die derzeit aus Anlass der Gedenkfeiern die Stadt besuchen. Vertreter des Magistrats, der Technischen Universität und der beiden großen christlichen Kirchen nahmen ebenfalls an der Feierstunde teil.
Daniel Neumann nahm in seiner Rede die aktuellen populistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Strömungen in den Blick. Es sei eine Bewegung „auf dem Vormarsch“, die nicht nur die jüdischen Bürger, sondern den Rechtsstaat und die Demokratie an sich bedrohten. Es sei „besonders verstörend, dass dies ausgerechnet in Deutschland geschieht“, so der Vorsitzende. „Wer, wenn nicht die Deutschen hätten ihre Lektion gelernt haben sollen?“
Die gängigen Formen der Erinnerungskultur reichen nach Neumanns Einschätzung nicht aus, um den jüngeren Entwicklungen Paroli zu bieten. „Es geht um mehr als um den Artenschutz für eine kleine religiöse Gemeinschaft.“ Was mit den Juden beginne, „endet nie mit den Juden“. Wenn „die Anständigen und Aufrechten zusammenarbeiten“, könne eine Gegenbewegung gelingen.
Diese gemeinsame Anstrengung sagte Oberbürgermeister Jochen Partsch in seiner Rede zu: „Das werden wir tun.“ Es werde „auf uns alle ankommen, dass es nicht so weit kommt“. All zu lange habe man zugeschaut, sagte Partsch. „Zwar ist die deutsche Demokratie noch stark, doch der von Populisten geschürte, offene Fremdenhass und der Rassismus, der am Ende immer auch Antisemitismus beinhaltet, bahnt sich auch hier seinen Weg.“ Der OB betonte: „Höchste Wachsamkeit ist angebracht.“ Er sei froh, dass es „in unserer Stadt eine so wachsame und entschlossene Zivilgesellschaft gibt“, ebenso in anderen Städten.
Plädoyer für neue Formen der Erinnerungskultur
Auch TU-Kanzler Manfred Efinger stellte in seiner Ansprache die Frage, „ob unsere Formen der Erinnerungskultur genügen“. Man müsse „die Neugier in allen Kreisen der Gesellschaft wachhalten“. Efinger nannte als Beispiel das fünfjährige TU-Projekt, das den Antisemitismus an der Universität detailliert aufarbeitete und die Namen vieler Persönlichkeiten, Lehrenden wie Studenten, wieder in Erinnerung rief. „Ich würde mir wünschen“, sagte der Kanzler, „dass viele große Einrichtungen in Darmstadt diesem Beispiel folgen würden.“