Ehemalige jüdische Bürger zu Gast
Zu einer Reihe von Gedenkveranstaltungen laden die Stadt, die Jüdische Gemeinde und weitere Partner die Darmstädter Bürger ab Freitag anlässlich des 80. Jahrestages der Pogromnacht vom 9. November 1938 ein. Auch an die Einweihung der Neuen Synagoge vor 30 Jahren wird mit einer Feierstunde erinnert. Die Kommune hat sechs ehemalige jüdische Bürger und deren Familien eingeladen, ihre alte Heimatstadt zu besuchen; sie werden das Programm teils mitgestalten.
Die Gedenkfeierlichkeiten stehen unter dem Motto „Gegen das Vergessen“. Bei der Vorstellung des Programms am Dienstag bekräftigte Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) das Engagement der Stadt in dieser Sache. Die Feiern stünden auch vor dem Hintergrund zunehmend offener Judenfeindlichkeit. Dass jemand wie der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban „sich offen antisemitisch äußern kann, das hat es in Europa in dieser Breite – von rechts bis links – seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben“. In vielen Städten Europas sei das zu spüren. In Darmstadt könnten Juden dagegen unbehelligt leben.
Die Neue Synagoge, die am 9. November 1988 eingeweiht wurde, sei „Mahnmal und Symbol zugleich“, so der OB: „Ein Symbol dafür, dass es in Darmstadt wieder eine blühende jüdische Gemeinde gibt; ein Mahnmal, das uns an die Ermordung von Millionen jüdischer Menschen erinnert und uns auffordert, jederzeit für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einzustehen.“
Daniel Neumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, erklärte, es sei wichtig, mit Feiern und Aktionen „Brücken in die Gegenwart zu schlagen“. Man müsse heute mit Blick auf die Mechanismen, die damals in die Katastrophe führten, Rückschlüsse ziehen für die Gegenwart.
Neumann würde aber „kleine Abstriche“ machen bei der Einschätzung, jüdische Darmstädter könnten heute unbeschwert durch ihre Stadt gehen: „Das wage ich in einigen Vierteln doch zu bezweifeln.“ Es gebe auch hier „einen gewissen Anteil an der Bevölkerung, der Ressentiments gegen Juden wie gegen andere Minderheiten pflegt.“
Der Gemeindevorsitzende begrüßte es, dass rund 200 Schüler aus sechs Schulen sowie 20 Lehramtsstudenten einen eigenen, ambitionierten Gedenktag für den 16. November planen. Freilich: Wirkliche Normalität „werden wir mit noch so viel Erinnerungsarbeit und Engagement für eine demokratische Kultur nicht vollständig erreichen.“
Die Veranstaltungen beginnen am Freitag, 9. November, mit Gesprächen zwischen Zeitzeugen und Schülern im Jüdischen Gemeindezentrum. Um 11 Uhr folgt dort die Gedenkfeier „80 Jahre Pogromnacht“. Um 12.30 Uhr wird die Ausstellung „Gedankenstriche“ von Friedrich Danielis eröffnet. Am Samstag, 10. November, gibt es um 19 Uhr ein Konzert, das gleichzeitig Teil des Programms der Jüdischen Kulturwochen ist. Am Sonntag, 11. November, folgt um 11 Uhr dann die Feierstunde „30 Jahre Neue Synagoge“.
Eine Woche nach den Feierlichkeiten werden bei einer Gedenkfeier am 16. November auch die Ergebnisse des interdisziplinären Projekts „80 Jahre Reichspogromnacht – Darmstädter Schüler und Schülerinnen und Studierende erinnern und gedenken“ vorgestellt.
In Eberstadt erinnert der Ökumenische Arbeitskreis am Samstag, 10. November, um 11 Uhr mit einer Mahnwache an der Modaubrücke an die zerstörung der ehemaligen Eberstädter Synagoge. Der Kranzniederlegung folgt eine Lesung von Schülerinnen aus damaligen Vernehmungsprotokollen. Um 20 Uhr findet im Ernst-Ludwig-Saal eine Gedenkveranstaltung zu Juden in Eberstadt mit dem Untertitel „Entrechtet, Gedemütigt, Geschändet“ statt.