Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs
Jeder, der es bis jetzt noch nicht wusste, obwohl er es schon lange hätte wissen können, der weiß es spätestens jetzt: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat öffentlich seinen Bankrott erklärt, als er Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und den inzwischen entlassenen Verteidigungsminister Gallant erlassen hat, denen angebliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem Verteidigungskrieg in Gaza vorgeworfen werden.
Und nicht nur das: Das Gericht hat damit nicht nur sich selbst beschädigt, sondern auch dem internationalen Recht einen Bärendienst erwiesen. Vor allem aber hat er einmal mehr bewiesen, dass im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht ist, selbst wenn es unrecht ist.
Doch wo ist eigentlich das Problem? Was ist falsch an der Entscheidung des Gerichts oder dem gesamten Procedere? Alles! Auch wenn der gutgläubige Nachrichtenkonsument, der juristische Laie oder der gemeine Bürger das nicht ohne weiteres durchschaut. Dabei geht es hier um absolut grundlegende Fragen, die das gesamte System der Glaubwürdigkeit, der Wirkung und Gerechtigkeit des internationalen Rechts und der ihm verpflichteten Institutionen ins Wanken bringen.
Denn eine wesentliche Frage, die ein jedes Gericht klären muss, bevor es tätig werden darf, ist die Frage der Zuständigkeit. Ist ein Gericht nicht zuständig, kann es auch kein Verfahren eröffnen, nicht verhandeln und keine Entscheidungen treffen. Und bereits hier hat der Internationale Strafgerichtshof eine dramatische Fehlentscheidung getroffen.
Israel hat sich dem Internationalen Strafgerichtshof nie unterworfen. Es hat die Unterzeichnung der entscheidenden Dokumente, also das sogenannte Römische Statut, seinerzeit aus guten Gründen zurückgezogen. Denn schon damals war abzusehen, dass das Gericht als politische Waffe gegen Israel eingesetzt werden würde.
Wie kann »Palästina« Mitglied des Gerichtshofs sein, wo es doch gar kein »Palästina« gibt?
Wer nun meint, dass Israel hier eine Sonderrolle einnimmt und lediglich versucht, seine Bürger und Politiker vor internationaler Strafverfolgung zu schützen, der sei darauf hingewiesen, dass es eine Reihe weiterer Staaten gibt, die das Gericht nicht anerkennen. Dazu zählen etwa die USA, Indien, Russland, China, Türkei, die meisten arabischen Staaten und viele Staaten Südamerikas.
Ja, zugegeben: Das ist zwar eine in weiten Teilen unrühmliche Gesellschaft, doch sie zeigt vor allem zwei Dinge. Erstens ist die Akzeptanz des Internationalen Strafgerichtshofs weltweit ziemlich begrenzt. Und zweitens stellt es die Funktionsfähigkeit und Fairness des zugrundeliegenden internationalen Rechts in Frage, wenn es gar nicht international gilt. Oder jedenfalls nicht durchsetzbar ist. Oder keine Anerkennung findet.
Anders ausgedrückt: Wenn manche diesem Recht unterworfen sind und andere nicht, dann ist die wesentlichste Eigenschaft des internationalen Rechts angekratzt: die allgemeine und gleiche Geltung und Anwendbarkeit des Rechts. Für alle, immer und überall.
Doch zurück zum Irrweg des Internationalen Strafgerichtshofs: Dieser hat seine eigene Zuständigkeit in den Verfahren gegen israelische Politiker angenommen, obwohl Israel die entsprechenden Statuten nicht ratifiziert hat. Wie das geschehen konnte?
Indem man auf die Ereignisse in Gaza reagierte und damit auf Ereignisse, die auf dem angeblichen Territorium eines Mitglieds, also eines angeblichen Staates namens »Palästina« geschahen. Man hat also über Bande gespielt. Israel ist zwar selbst kein Mitglied des Gerichtshofs. Da aber »Palästina« Mitglied des Gerichtshofs ist und Israel auf dessen angeblichem Gebiet agiert, behauptet man, zuständig zu sein und zerrt die Angeklagten vor den Augen der ganzen Welt zu Unrecht vor Gericht.
Hier stoßen wir auf den nächsten politischen Coup: Denn wie kann »Palästina« Mitglied des Gerichtshofs sein, wo es doch gar kein »Palästina« gibt? Jedenfalls keinen Staat Palästina. Ganz einfach: indem man schlicht behauptet, dass es ihn gibt und seine Existenz dann international anerkennen lässt.
Israel ist ein funktionierender Rechtsstaat mit einem unbestechlichen Justizapparat
Auch hier führt das wahre Problem in die Tiefen des Rechts, die nur schwer verständlich sind. Um es kurz zu machen: Damit ein Staat als solcher gelten kann, braucht es vor allem drei Elemente: ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet und eine Staatsgewalt. Und wenn man es genau nimmt, fehlt es dem angeblichen »Staat Palästina« an allen drei Elementen.
Doch wen interessiert das schon, wenn große Teile der internationalen Gemeinschaft bei dem großen Bluff mitspielen? Wie wurde der sogenannte Staat »Palästina« anerkannt? Und wo? Und von wem?
Die Antwort dürfte Kenner der Materie kaum überraschen: durch eine Abstimmung in der Generalversammlung der Vereinten Nationen durch all die Staaten, die in jeder einzelnen Abstimmung seit Jahrzehnten gegen Israel stimmen und gegen den Juden unter den Staaten agitieren.
Sprich: die beständige antiisraelische Mehrheit, die aus muslimischen und blockfreien Staaten sowie Russland und einigen anderen besteht, hat Palästina mit der Anerkennung zu einer politischen Waffe gemacht, obwohl nahezu alles fehlt, was einen Staat zum Staat macht.
Erstmals erließ der IStGH Haftbefehle gegen führende Politiker eines demokratischen Staates
Nochmal zum Mitschreiben: ein Staat namens Palästina, dem juristisch nahezu alle Elemente fehlen, die einen Staat zum Staat machen, wird durch eine internationale antiisraelische Allianz in der UNO per Mehrheitsbeschluss als politische Waffe im Kampf gegen den jüdischen Staat geschaffen und dient nun dem Internationalen Strafgerichtshof als Schlüssel, um die Tür zur Strafverfolgung israelischer Bürger zu öffnen, obwohl Israel selbst weder Mitglied des Gerichtshofs ist noch dessen Jurisdiktion anerkennt.
Wie sagte Yogi Berra noch gleich: »Man kann viel lernen, wenn man einfach nur zusieht«. Allerdings muss man auch zusehen wollen. Oder hinsehen. Durch diesen Husarenstreich und ein sauberes Spiel über Bande hat jedenfalls der Strafgerichtshof seine Zuständigkeit also bejaht. Zugleich gibt es noch einen weiteren wesentlichen Grund, weswegen der Strafgerichtshof das Verfahren nie hätte eröffnen dürfen: Er darf nämlich nur dann tätig werden, wenn es in dem betreffenden Land keine eigene Gerichtsbarkeit gibt, die solche Verfahren bearbeitet.
Das Verfahren gegen Israel hätte nie eröffnet werden dürfen
Zu behaupten, dass ausgerechnet Israel, also das Land mit einer der höchsten Dichten an Juristen weltweit, das eine fast fanatische Liebe zum Recht entwickelt hat und das die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Justiz immer wieder dadurch bewiesen hat, dass es in der Vergangenheit konsequent selbst gegen höchste Amtsträger vorgegangen ist und sogar Ministerpräsidenten, Staatspräsidenten oder Oberrabbiner hinter Gitter gebracht hat, dass also dieses Land und sein Gerichtswesen nicht in der Lage oder willens wären, all die Entscheidungen rund um den Gazakrieg zu gegebener Zeit juristisch zu bearbeiten, ist infam.
Israel ist ein funktionierender Rechtsstaat mit einem beeindruckenden, unbestechlichen Justizapparat und keine Bananenrepublik mit einseitigen, korrupten Staatsanwälten oder Richtern. Auch deswegen hätte das Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof nie eröffnet werden dürfen.
Und doch geschah genau das. Und so erließ der IStGH erstmals in seiner gesamten Geschichte Haftbefehle gegen führende Politiker eines demokratischen Staates. Womit er den Betroffenen allerdings weit weniger schadet als sich selbst. Denn wenn Entscheidungen getroffen werden, um der Mehrheit zu genügen und das Recht zum politischen Spielball in einem ungleichen Spiel wird, dann gibt es am Ende viele Verlierer: vor allem das Recht, die Gerechtigkeit und das System, das vorgibt, eben diese zu verteidigen.
Der Schaden, der dadurch gerade in Echtzeit und vor aller Augen angerichtet wird, sollte uns alle zutiefst beunruhigen. Denn heute trifft es Israel. Doch schon Morgen alle anderen. Damit wären Recht und Gerechtigkeit bankrott. Und das kann wahrlich keiner wollen.
Der Autor ist Jurist und Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.